Foto: Florian Arp
Frauke Patzke erlebt eine Premiere. Zum ersten Mal seit Beginn der Coronakrise öffnet der beliebte Club „Béi Chéz Heinz“ in Linden wieder für eine Veranstaltung. Es ist zwar nur eine Podiumsdiskussion, aber es ist ein Anfang. Patzke, die bei der Wahl zum Regionspräsidenten für die Grünen kandidiert, hat Künstlerinnen und Künstler eingeladen, um mit ihnen über deren Situation seit dem ersten Lockdowns zu sprechen.
Kultur ist systemrelevant
Zum Auftakt stellt der Poetry Slammer Tobias Kunze ein Werk vor, das er während des Lockdowns geschrieben hat. Es geht um Konsum, deutsche Kleinlichkeit und die Tücken des Kapitalismus. Applaus, auch von Frauke Patzke. „Ich bin kulturinteressiert, nicht nur von Berufs wegen, und war bestürzt, wie man mit der Kultur in der Krise umgegangen ist“, sagt Patzke. „Kultur ist aus meiner Sicht mehr als nur ein Zeitvertreib, es ist Nahrung für die Seele und systemrelevant.“
Beruflich zur Kultur ist die in Aurich aufgewachsene 50-Jährige erst spät gekommen. Nach dem Realschulabschluss 1987 absolvierte sie eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten bei der Hannoverschen landwirtschaftlichen Krankenkasse (HlKK) und arbeitete dort 15 Jahre. Als sich die Struktur der Kasse veränderte, war Frauke Patzke kurz vor ihrem 30. Geburtstag. „Da habe ich mir die Sinnfrage gestellt“, sagt sie. Sie hatte die gläserne Decke in ihrer Laufbahn erreicht. „Ich wusste, wenn ich beruflich weiterkommen will, dann musste ich mich noch einmal neu orientieren.“
Und so erfüllte sie sich einen Traum und studierte in Hannover Jura. „Im gehobenen Dienst ist man nur ausführendes Organ. Ich wollte die Werkzeuge vermittelt bekommen, um Verwaltung aktiv zu gestalten.“ Nach Stationen als Anwältin für Sozialrecht und wissenschaftlicher Mitarbeiterin an der Leibniz-Universität kam sie 2015 zum Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur, in dem sie heute das Referat „Justiziariat, Vergabestelle und Innerer Dienst“ leitet.
Doch Frauke Patzke interessiert sich nicht nur für Kultur, sondern auch für Umwelt und Klimaschutz. „Von meinem Elternhaus habe ich den Respekt und die Liebe zur Natur mitbekommen“, sagt die Grünen-Politikerin, die mit ihrem Mann in Hemmingen lebt. Aus ihrer Sicht müsse man das CO2-Budget, was die Menschheit noch habe, vernünftig einteilen. „Wir dürfen nicht auf Kosten künftiger Generationen leben. Ich möchte, dass auch meine Nichten und mein Neffe noch die Freiheit haben, zum Beispiel in den Urlaub reisen zu können.“ Deshalb fährt sie, wann immer es geht, mit dem Fahrrad. „Heute bin ich dabei viermal nass geworden. Aber meist macht es einfach nur Spaß. Und klimaneutrale Mobilität muss Spaß machen – sonst werden wir die Verkehrswende nicht schaffen.“
Region erlebbar machen
Sollte sie Regionspräsidentin werden, dann will sie nicht nur die Jugend und die Wirtschaft fit für die Zukunft, sondern die Region auch präsenter machen. „Die Region wird selbst von Hannoveranern oft nur als politisches Gebilde wahrgenommen. Ich möchte, dass sie mehr ist als eine Verwaltung, und dass sich die Menschen mit ihr identifizieren können.“ Die Region müsse zur Vertreterin der Interessen ihrer Bürger werden. „Hier leben 1,2 Millionen Menschen. Das ist ein Potenzial, das man auch gegenüber der Landespolitik noch viel besser nutzen kann. Die Menschen der Region sollten sich als starke Gemeinschaft verstehen – und verstanden werden.“
[ISABEL CHRISTIAN]