Zukunft der Arbeit

„Die Digitalisierung verdrängt
unser klassisches Geschäftsmodell“

Foto: Tim Schaarschmidt (gettyimages)

Die Firma Otto Künnecke aus Holzminden ist Weltmarktführer im Bau von Maschinen für hochsichere Dokumente. Weil die Digitalisierung dieses Geschäftsfeld bedroht, hat Geschäftsführer Carl Otto Künnecke den Spieß umgedreht – und durch Digitalisierung neue Geschäftsfelder geschaffen.

HERR KÜNNECKE, SIE HABEN ES IN WENIGEN JAHREN GESCHAFFT, IHR FAMILIEN-UNTERNEHMEN MASSIV ZU DIGITALISIEREN UND NEUE BETÄTIGUNGSFELDER ZU ERSCHLIESSEN. WARUM SIND SIE DIESEN WEG GEGANGEN?

Traditionell sind wir ein Maschinenbau-Unternehmen. Wir sind Weltmarktführer für Maschinen, die hochsichere Dokumente wie Reisepässe, Führerschein und Kreditkarten verarbeiten. Unser zweites Geschäftsfeld Digital Solutions ist dann quasi aus der Not heraus geboren, weil wir erkannt haben, dass unser traditionelles Geschäftsmodell irgendwann aufgrund der Digitalisierung zu Ende geht.

DAS KLINGT ERSTMAL SEHR BEDROHLICH ...

Ja, natürlich führt die Aussicht, das eigene Geschäftsmodell könnte komplett obsolet werden, erstmal zu Ängsten, und man will es gar nicht wahrhaben. Aber man muss sich dem stellen. Und so haben wir 2017/18 einen Neuaufstellungs-Prozess begonnen. Dabei hat sich herausgestellt, dass unsere Kernkompetenz gar nicht nur im Maschinenbau liegt. Sondern auch vor allen Dingen in der Software und der Digitalisierung der Prozesse.

WAS HAT DANN CORONA MIT IHREM UNTERNEHMEN GEMACHT?

Anfangs haben wir noch gedacht, das geht schnell vorbei. Dann kam die totale Panik, weil wir gar nicht mehr arbeiten konnten. Wir konnten nicht mehr zu den Kunden, wir konnten keinen Service mehr anbieten. Wir haben dann versucht, alles digital aufzubauen, haben auch das Konzept der Virtual Visits entwickelt. Damit ist es uns gelungen, den prognostizierten Umsatzverlust aufzufangen und diesen im Bereich Service sogar auszubauen.

WORUM GEHT ES DENN BEI DEN VIRTUAL VISITS?

Es ist ja so, dass wir über 80 Prozent Export haben und unsere Maschinen weltweit verkaufen. Wenn man aber nicht mehr reisen kann, fällt das klassische Vertriebsmodell weg. Webinare und ähnliche Formate waren uns zu unpersönlich. Wir wollten etwas, das lebendig, live und für den Kunden interessant ist. Daraus ist dann das Konzept der Virtual Visits entstanden. Dabei nehmen wir den Kunden mit in unsere Produktion und ein Mitarbeiter zeigt live am Bildschirm, wie wir arbeiten. In unseren großen Formaten halten es die Kunden so eineinhalb Stunden mit uns aus.

ABER IST DIESES LIVE-KONZEPT NICHT ANFÄLLIG FÜR FEHLER?

Ja, natürlich. Mal will man etwas zeigen und es funktioniert nicht, oder es fällt etwas runter. Aber das gehört ja alles zum Live-Charak­ter dazu. Und was ich mir zunächst gar nicht hätte vorstellen können: Gerade so gelingt es uns, den Spirit in unserem Unternehmen zu übermitteln. Für viele unserer Kunden war aber genau das ausschlaggebend. Wir haben schon oft die Rückmeldung bekommen: „So wie ihr arbeitet und so wie ihr miteinander umgeht, seid ihr die richtige Firma für uns“.

[INTERVIEW: PAUL BERTEN]