Hannover – dein Image

Wer hat’s erfunden? Die Hannoveraner!

Bei Hannover denkt man an vieles, aber eher selten an Spitzen­forschung. Dabei sind in der niedersächsischen Landeshauptstadt gleich mehrere Wissenschaftseinrichtungen angesiedelt, die nicht nur in ihren Branchen Weltruf genießen. Wir stellen drei Beispiele vor.

Sie helfen anderen, erfolgreich zu sein

Das Laser Zentrum Hannover unterstützt Firmen dabei, individuelle Lösungen für ihre Heraus­forderungen zu finden.

Niedersachsen Additiv: Das LZH ist nicht nur eine reine Forschungseinrichtung, sondern arbeitet auch ganz praktisch mit den Unternehmen in Niedersachsen zusammen.

Foto: Jan Leschke

2017 erhielten drei US-Forscher den Physik-Nobelpreis für den Nachweis von Gravitationswellen – einst eine Theorie Albert Einsteins. Die Nachricht ging um die ganze Welt. Was hingegen kaum jemand weiß: Ein entscheidender Teil der Messtechnik, die die Forscher für ihren Beweis nutzten, kam aus Hannover. Entwickelt und gebaut wurde sie im Wissenschaftspark Marienwerder, genauer gesagt, im Laser Zentrum Hannover (LZH).

Das LZH ist ein angewandtes Forschungsinstitut, das sich der Erforschung und Entwicklung von Optik-Komponenten und Lasern verschrieben hat. Als es vor fast 40 Jahren gegründet wurde, war der Laser noch eine ganz neue Technologie. Heute dagegen sind die Einsatzmöglichkeiten fast endlos: Vom Weltraum bis in den menschlichen Körper, vom Ackerbau bis zur Bombenentschärfung. „Lasertechnologie ist tatsächlich unglaublich facettenreich“, bestätigt Geschäftsführerin Lena Bennefeld.

Das LZH beschäftigt insgesamt rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der überwiegende Teil davon sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen, die komplett projektfinanziert arbeiten. Das Institut versteht sich selbst als Wirtschaftsfördermaßnahme für niedersächsische Unternehmen und wird dafür auch vom Niedersächsischen Wirtschaftsministerium gefördert. Die Dienstleistungen, die das LZH interessierten Unternehmen bietet, reichen von der Unterstützung beim Förderantrag bis zu Entwicklung, Bau und Test ganzer Anlagen. Damit deckt es die gesamte Prozesskette ab und ist als Forschungsinstitut einmalig. „Ich glaube, es ist essenziell, dass wir Forschung von den Herausforderungen aus denken, denen wir und die Industrie in Deutschland sich stellen“, sagt Bennefeld.

Was das konkret bedeutet, zeigt sich etwa bei Niedersachsen ADDITIV, einem laufenden Projekt, das die Einsatzmöglichkeiten von 3D-Druck in KMU ausloten soll. Die Einstiegshürde ist dabei gezielt niedrig gehalten. Über ein Online-Formular können Unternehmen ihre Herausforderungen an das LZH melden. Die Forscherinnen und Forscher besuchen daraufhin das Unternehmen und loten mit Geschäftsführung und den Fachabteilungen zusammen Einsatzmöglichkeiten und Innovationspotenziale aus. „Auf diesem gemeinsamen Weg entdeckt man noch so viel Potenzial, was für das Unternehmen unglaublich viele Vorteile bringt“, sagt Bennefeld.

Die Beteiligung am Nobelpreis wird man auf den Seiten des LZH hingegen nur zwischen den Zeilen finden. „So sind wir als LZH schon immer gewesen“, sagt Bennefeld und schmunzelt. „Wir sind bescheiden und freuen uns lieber, dass unsere Technologie zu solch großartigen Leistungen beigetragen hat.“

Im Auftrag der Industrie

Das Deutsche Institut für Kautschuktechnologie e.V. (DIK e.V.) und die DIK Prüfgesellschaft mbH in Hannover forschen und prüfen für Unternehmen weltweit.

Foto: DIK

Es war eher Zufall, dass Hannover als eines der Zentren der deutschen Kautschukindustrie zum Standort des DIK wurde. Anfang der achtziger Jahre wollte die Landesregierung gezielt Forschung für Kautschuk und Elastomere in Niedersachsen als eine damals schwach industrialisierte Region etablieren und fand darin breite Unterstützung in der Branche. 1981 wurde das Deutsche Institut für Kautschuktechnologie e.V. (DIK e.V.) gegründet und hat sich seitdem zu einer international anerkannten Forschungseinrichtung entwickelt, deren Expertise von Unternehmen weltweit angefragt wird. Das liegt unter anderem daran, dass das DIK mit seinem Konzept eine Vielzahl der in der Sache notwendigen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen der Kautschuktechnologie zusammenführt, was einmalig ist. Mit seinen sechs technischen Abteilungen vereint das DIK alle Disziplinen und Fertigungsschritte, die man für die Herstellung von Gummiprodukten braucht.

Forschung und Weiterbildung unter einem Dach

In dem äußerlich eher unscheinbar wirkenden Gebäude in Hannover-Seelhorst vereint das Gesamt-DIK geballte Wissenschafts- und Prüfkompetenz in drei Bereichen. Herzstück ist der Verein, der seit der Gründung des DIK besteht und der insbesondere der Forschung gewidmet ist. Die wirtschaftliche Entwicklung bezüglich der großen Industrienähe führte 2017 zur Ausgliederung der DIK Prüfgesellschaft mbH, die unter dem gleichen Dach angesiedelt und ein wichtiges Standbein im Bereich akkreditiertes Prüfen, Analysieren und Messen ist, sowie ein umfang­reiches Angebot an die Industrie für das Gesamt-DIK bietet. Und schließlich gibt es den großen Bereich der Aus- und Weiter­bildung. Um dem sich stetig verschärfenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, bietet das DIK ein umfassendes modulares Kursprogramm an. Dieses reicht von einführenden Kursen bis hin zum berufsbegleitenden akademisch ausgerichteten Studium der Kautschuktechnologie, das gemeinsam mit dem Wirtschaftsverband der Deutschen Kautschukindustrie (wdk) als Träger, der Leibniz Universität Hannover und dem DIK als ausführendes Organ organisiert und angeboten wird.

„Unsere Forschungsarbeiten orientieren sich zu einhundert Prozent an den Fragestellungen der Industrie“, betont Prof. Dr. Ulrich Giese, Institutsleiter des DIK e.V. und Geschäftsführer der DIK Prüfgesellschaft mbH. Das gelte sowohl für öffentlich geförderte, als auch für von Unternehmen finanzierte Projekte. Die Projekte werden in der Regel von Doktoranden bearbeitet, die nicht selten im Anschluss an ihre Forschungsarbeit zu Mitarbeitern der Unternehmen werden, für die sie geforscht haben.

Chemie pur: Im DIK wird erforscht, was Kautschuk alles kann – und was man aus Kautschuk alles herstellen kann.

Foto: DIK

Noch viele mögliche Forschungsansätze

Die Verarbeitung von Kautschuk ist eine seit mehr als 200 Jahren erprobte Technologie. Dennoch gibt es immer noch viele lohnende Forschungsansätze, die weit über eine beständige Verfeinerung der technischen Prozesse und von Elastomermaterialien hinausgehen. E-Auto, Kreislaufwirtschaft, Energiewende, Umweltaspekte, REACH, Lebensdauer und die nachhaltige Nutzung von technischen Elastomerbauteilen und Reifen – alle bringen eigene Heraus­forderungen und Chancen für die Kautschukindustrie mit sich. Der Wechsel zu Wasserstoff als Energieträger beispielsweise erfordert eine neue Art des Korrosionsschutzes von Stahl-Pipelines und Lagerbehältern. Denn Wasserstoff greift den Stahl an, und eine Isolierung von starren, spröden Werkstoffen ist aus konstruktionstechnischen Gründen häufig unmöglich. Die Antwort auf dieses Problem könnten zum Beispiel Spezialelastomere sein. Die Forscherinnen und Forscher des DIK hoffen, die Antwort bald zu kennen.

Wirtschaft und Forschung als „Dreamteam“

Für den neuen Maschinenbau-Campus der Leibniz Universität Hannover in Garbsen hat die Aerzener Maschinenfabrik eine Anlage entwickelt, die europaweit einzigartig ist.

Ideengeber: Dr. Hans Fleige ist Entwicklungschef bei der Aerzener Maschinenfabrik.

Foto: Photostudios Blesius

Sie ist 82 Meter lang, in ganz Europa einmalig und international unter den Top Five: Exklusiv für die Leibniz Universität Hannover hat die Aerzener Maschinenfabrik eine Kompressoranlage entwickelt, die es ermöglicht, gewaltige Mengen Luft extrem genau zirkulieren zu lassen. Auf diese Weise können die Forschenden z.B. skalierte Komponenten von Kraftwerksturbinen und Flugzeugtriebwerken unter einer Vielzahl von realistischen Bedingungen testen. Die 6MW-Kompressoranlage steht im Forschungsbau „Dynamik der Energiewandlung“ (DEW) und ist das teuerste Einzel­gerät auf dem ganzen Maschinenbau-Campus, der vor einigen Jahren in Garbsen neu entstanden ist.

Die Aerzener Maschinenfabrik aus dem Landkreis Hameln-­Pyrmont, die zu den Mitgliedern in der Gemeinschaft der Arbeitgeberverbände zählt, war und ist für die Uni jedoch mehr als nur ein Auftragnehmer. Bevor die eigentliche Anlage errichtet wurde, baute sie im Rahmen des Auftrages ein kleineres Funktionsmodell, das die hohen Ansprüche an Steuer- und Regulierbarkeit der zirkulierten Luft bereits erfüllen konnte. „Die Verbindung zur Universität ist durch das Großprojekt und den damit verbundenen Wissens­austausch sehr eng geworden“, sagt Dr. Hans Fleige, Entwicklungschef bei der Aerzener Maschinenfabrik.

Unternehmen und Uni profitieren

Das große Geschäft macht das Unternehmen mit solchen Aufträgen für die Forschung zwar nicht. Dafür sind die Anforderungen zu speziell und oft – wie im Fall der Kompressoranlage – auch einmalig. Dennoch profitiert das Unter­nehmen von der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft in anderer Hinsicht. „Wir haben bei diesem Projekt unglaublich viel gelernt“, sagt Fleige und betont: „Ich denke, der Austausch zwischen Industrie und Wirtschaft ist wichtig, damit man sich hat, wenn man sich braucht.“

Ein weiterer Nebeneffekt der langjährigen, vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Hochschule ist, dass sich die Aerzener Maschinenfabrik lange keine Gedanken um den Fachkräftemangel machen musste. Mehr als 50 Abschlussarbeiten hat Fleige, der seit Jahren auch einen Lehrauftrag an der Maschinenbau-Fakultät in Hannover hat, in seiner Zeit bei der Aerzener Maschinen­fabrik bereits betreut. 17 seiner Studenten und Studentinnen sind mittlerweile Kollegen und Kolleginnen geworden.

Kraftwerke bieten noch viel Potenzial

Leider scheinen diese Zeiten zu Ende zu gehen. Denn immer weniger junge Menschen entscheiden sich für ein Maschinenbau-Studium. Auch in Hannover sind die Zahlen aktuell rückläufig. Aus Sicht von Fleige trägt die öffentliche Meinung eine Mitschuld daran, dass die Entwicklung neuer Maschinen, vor allem im Bereich der Kraftwerksturbinen, immer unattraktiver wird. „Die Energiewende gilt ja bereits als gelöst – und wir machen nichts mehr mit Kraftwerken. Da sagen sich viele: Was soll ich in einer sterbenden Branche?“

Dass die zukünftige Energieversorgung jedoch noch viel Forschungspotenzial bereithält, beweist auch die jüngste Kooperation der Aerzener Maschinenfabrik mit der Wissenschaft. Diesmal soll in einem gemeinsamen Projekt mit dem Fraunhofer IEG und der TU Dortmund eine Hochtemperatur-Wärmepumpe für industrielle Zwecke entwickelt werden. Aus Aerzen kommt dann der spezielle Wasserdampf-Verdichter. Und anders als bei der Kompressoranlage in Garbsen ist es unwahrscheinlich, dass dieser einzigartig in Deutschland bleiben wird.

[Paul Berten]

Haben Sie Fragen?

Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie von unserer Pressesprecherin Isabel Link.

Schreiben Sie eine E-Mail!