Hannover – dein Image

Ist das noch Werbung oder kann das weg?

Composing: Getty Images (SerrNovik), Holger Kölling

Hannover gefällt sich in der Rolle der Durchschnittsstadt. Selbst bei bundesweiten Negativ-Schlagzeilen wegen einer geplatzten Ratskoalition und eines Weihnachtsbaums wie ein Besenstiel verliert man in Niedersachsens Landeshauptstadt nicht die Ruhe. Dabei könnte Hannover so viel mehr.

Er trägt Hoodie und den Ansatz eines Hipsterbarts, fährt manchmal Fahrrad, manchmal Auto. Er ist nicht faul, aber auch nicht übermäßig fleißig. Eben, dass es gerade so reicht. Schicke Veranstaltungen sind nicht wirklich sein Ding. Er geht zwar mit zur Night of the Proms, lieber sind ihm aber gemütliche Abende in irgend­einer schrammeligen Eckkneipe. Der Weihnachtsbaum dort sieht aus wie vor dem Schredder gerettet? Ach egal, Hauptsache, wir haben einen. Und überhaupt, viel schöner ist es doch sowieso im Stadtwald, mit einem Pils in der Hand und den Bekannten aus Kindertagen, beim Schmieden hochfliegender Pläne, was man denn so machen könnte, wenn man denn mal wollte.

Mit Hoodie und Hipsterbart in die gemütliche Eckkneipe: Wäre Hannover ein Mensch, so könnte man ihn in erster Linie als genügsamen Zeitgenossen charakterisieren.

Foto: Getty Images (Deagreez)

Wäre Hannover ein Mensch, könnte man ihn sich wohl ungefähr so vorstellen.

Aber Hannover ist kein Mensch, sondern eine Stadt mit fast 550.000 Einwohnern. Und noch dazu Landeshauptstadt des flächenmäßig zweitgrößten Bundes­landes. Auf dessen fast 50.000 Quadratkilometern knapp 8 Millionen Menschen leben, fast so viele wie in der gesamten Schweiz. Man kann und man muss also mehr von Hannover erwarten können als ein Schulterzucken und den Hinweis, man sei nun einmal Durchschnitt, zu mehr reiche es nicht.

Als Wirtschaftsstandort nicht attraktiv

Denn die Bürger verlangen mehr. Jüngst veröffentlichte die Süddeutsche Klassenlotterie (SKL) in Zusammen­arbeit mit der Universität Freiburg wieder ihren Glücks­atlas. Im Ranking der Landeshauptstadt landete – welch Überraschung! – Hannover im Mittelfeld. Allerdings reichte es für den akzeptablen Platz fünf nur, weil die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt außerordentlich zufrieden mit der Verkehrsinfrastruktur, den Naherholungsmöglichkeiten und dem kulturellen Angebot sind. Vor allem bei der öffentlichen Verwaltung, aber auch bei der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes knirscht es dagegen gewaltig. Und das, obwohl Hannover mit Deutschlands größtem Messegelände, einer optimalen Lage am Kreuz von A2 und A7 sowie Norddeutschlands einzigem Flughafen mit 24-Stunden-Betrieb ein infrastruktureller Traum für Unternehmer sein kann.

Eines fehlt den Bürgerinnen und Bürgern offensichtlich ganz besonders: ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Ein solches jedoch zu schaffen, einen Spirit, der nicht nur die Einheimischen verbindet, sondern auch Auswärtige sehnsüchtig zur Stadt an der Leine blicken lässt, das scheint in Hannover keine hohe Priorität zu genießen.

„Hannover ist die meist unterschätzte Stadt Deutschlands“, bilanzierte einst bei einer Diskussion im Stadtrat um das Image von Hannover die Grünen-Fraktions­chefin Elisabeth Clausen-Muradian. Und sie legte nach: Das könne auch gern so bleiben. Neue Unternehmen und junge Fachkräfte gewinnt man so jedoch nicht. Die gehen nach Berlin, Düsseldorf, ja sogar Magdeburg – wenn dort erst die Chipfabrik von Intel um Arbeitskräfte wirbt.

Fusselfichte: Hannovers zentraler Weihnachtsbaum vor der Marktkirche zog im vergangenen Jahr viel Spott auf sich.

Foto: Christian Wilhelm Link

Panne-Tanne: Vor allem in den sozialen Netzwerken musste die Stadt viel Kritik dafür einstecken, dass sie den beschädigten Baum aufstellen ließ.

Ramponierter Weihnachtsbaum und zerstrittene Koalition

Selbstvermarktung, das ist für Hannover seit Jahren eine Herausforderung. Längst hat sich der Eindruck verfestigt, die Verantwortlichen bei der Stadtverwaltung störe es nicht, was der Rest des Bundeslandes und der Republik von der Stadt denken. Selbst als Hannover Ende vergangenen Jahres zweimal hintereinander für Negativ-­Schlagzeilen sorgte, blieben der große Aufschrei oder auch nur ein sichtbares Zeichen der Nachdenklichkeit aus.

So ließ die SPD öffentlichkeitswirksam die grün-rote Koalition im Stadtrat platzen, da es ihr reichte, wie die Grünen mit ihrem Oberbürgermeister Belit Onay die Verkehrswende für Hannover ohne Rücksicht auf Verluste vorantrieben. Als das Stadtoberhaupt schließlich verkündete, die Autos aus der Innenstadt weitgehend verbannen zu wollen, ohne vorher Bürger, Wirtschafts- und Sozialverbände miteinbezogen zu haben, war Schluss für die Sozialdemokraten. Ja, Hannover hat ein Innenstadt-Problem. Immer mehr Ladenlokale stehen leer, als Einkaufsstadt ist Hannover längst auf dem absteigenden Ast. Doch ob sich die mangelnde Attraktivität der Innenstadt ausgerechnet dadurch verbessern lässt, dass sie nur noch mit Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen ist, findet nicht nur die SPD fraglich.

Eine Woche zuvor lachte ganz Deutschland schon über die arg ramponierte Weihnachtstanne, die den Weihnachtsmarkt schmückte. „Fussel-Fichte“ oder „Panne-Tanne“, spottete man im Internet. Und eine Baden-­Württembergerin schrieb: „Potthässlich, als Stadt würde ich den sofort im Zoo entsorgen. Also das ist keine Werbung mit diesem Besen.“ Die Stadt hingegen zuckte mit den Schultern und erklärte, dass die Tanne beim Transport vom Lkw gefallen und dabei zwei Äste abgebrochen seien. Mit Lichtern geschmückt sähe sie aber ganz hübsch aus. Hauptsache, wir haben einen.

Ach Hannover, du könntest so viel mehr sein als ein ramponierter Weihnachtsbaum – wenn du nur wolltest.

[Isabel Link]

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