Die erste Reaktion der Stadt Hannover auf das desolate Abschneiden in der Allensbach-Umfrage zur Beliebtheit der deutschen Landeshauptstädte hätte man so sicher nicht erwartet. In den sozialen Medien rief die Stadtverwaltung dazu auf, lustige Bildchen zum Umfrageergebnis einzuschicken. Zu gewinnen gab es eine Hannover-Tasse, den Null-Euro-Gutschein und zwei Karten für den Feuerwerkswettbewerb. Die Botschaft dahinter: Wir nehmen das Ergebnis zwar zur Kenntnis, allerdings nicht unbedingt ernst und schon gar nicht besorgt. Es ist die Fortsetzung einer Haltung, die die Stadt seit Jahren pflegt. Anfang 2021 machte Hannover seinen Ruf als eher langweilige Durchschnittsstadt sogar zum Zentrum einer Werbekampagne und plakatierte in anderen Bundesstädten den Slogan „Hannover – aufregend unaufgeregt!“
Mehr Infos im Artikel "Hannover – Bitte nicht stören?" (Ausgabe 02/21)
Nur 9% der Befragten bewerten hannover als »attraktiv«. Unbeliebter ist nur Saarbrücken.
CDU und FDP schlagen Alarm
Ist sich Hannover selbst genug? Legt die niedersächsische Landeshauptstadt keinen Wert darauf, für Außenstehende attraktiv zu sein? Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man die Debatte verfolgt, die das Ergebnis der Allensbach-Umfrage ausgelöst hat. Ihren Höhepunkt fand sie im Dezember, als die CDU-Fraktion das Thema auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung setzte, um zu diskutieren, wie Hannover den „NegativMythos“ loswerden könne. Denn aus Sicht der CDU habe Hannover zu Unrecht ein schlechtes Image. „Wir sind nicht Berlin oder Hamburg. Das kann auch nicht der Maßstab sein. Hinter Magdeburg oder Kiel müssen wir uns aber sicher auch nicht verstecken“, sagte Felix Semper, Fraktionsvorsitzender der Konservativen.
Er rief dazu auf, rasch zu handeln, denn andernfalls könne Hannover im schärfer werdenden Wettbewerb um Fachkräfte und Unternehmensansiedlungen langfristig nicht bestehen. Vor allem die Strahlkraft für die Wirtschaft habe in den vergangenen Jahrzehnten stark gelitten. „Das Expo-Gelände ist ein zersiedeltes Gewerbemischgebiet, Hannover bei der Digitalisierung Mittelmaß“, bilanzierte Semper. Das sei in erster Linie ein Versäumnis der bisherigen Stadtregierungen.
Prof. Dr.-Ing. Stefan Kaierle, Geschäftsführender Vorstand Laser Zentrum Hannover
Woher das negative Image kommt, kann ich mir nicht recht erklären.
Ich lebe und arbeite seit zehn Jahren in Hannover und finde die Stadt viel besser und schöner, als sie in den Umfragen abschneidet. Viele Menschen, die Hannover nicht kennen, haben eine schlechte Meinung von der Stadt – aber wer mal hier war, ändert diese dann ganz häufig.
Auch der FDP-Fraktionschef Wilfried Engelke sieht die Stadtverwaltung einschließlich der aktuellen Regierung als Mitverursacher des desolaten Umfrageergebnisses: „Noch haben wir Einkaufsmöglichkeiten und Kulturangebote, aber wie lange noch? Es reicht nicht, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und die Stadt durch die rosarote Brille zu betrachten. Die City muss lebenswerter werden. Aber das erreicht man nicht durch Blumenkübel und überdachte Fahrradständer.“ Vor allem die Verkehrspolitik mit ihrem Ziel, eine autofreie Innenstadt zu schaffen, sei verfehlt und werde dem Wirtschaftsleben in der City über kurz oder lang den Garaus machen. „Die Stadtspitze ist der Sargnagel für inhabergeführte Kleingeschäfte“, kritisierte Engelke. Statt zwei Fahrradbeauftragte einzustellen solle die Verwaltung lieber neue Stellen im Stadtmarketing schaffen.
Andreas Michael Casdorff, Geschäftsführer Erlebniszoo Hannover
Hannover hat zu wenig Mut und Selbstvertrauen, die Schönheiten der Stadt, die Wohn- und Lebensqualität, das Shoppingerlebnis der City, sein großes Naherholungsangebot und das facettenreiche Umland auch nach außen zu vertreten.
Dazu ist Weltoffenheit nicht oft zu spüren. Der globale Spirit zum Beispiel durch die Hannover-Messe wird eher als Belastung denn als Bereicherung gesehen. Die Expo 2000 war auch ein großes Geschenk, wurde aber so nie wahrgenommen. Doch es gibt viele umtriebige Unternehmer, die die Chancen im Standort Hannover sehen und die Stadt mit ihrem Engagement weiter entwickeln.
Das Image von Hannover
„Zu Hannover kann einem ja alles Mögliche einfallen. Ich möchte Ihnen jetzt einiges vorlesen, was einem in den Sinn kommen könnte, und Sie sagen mir bitte immer, ob Sie bei Hannover daran denken oder eher nicht.“
Basis: Niedersachsen, Bevölkerung ab 18 Jahre
SPD und Grüne wiegeln ab
Die regierenden Parteien antworteten auf die Vorwürfe durch Umfrageergebnisse und Opposition gelassen, von Einsicht oder gar Selbstkritik keine Spur. Stattdessen gaben SPD und Grüne ein Bekenntnis zum Mittelmaß ab. Und warfen der CDU vor, das Image von Hannover künstlich ins Negative zu ziehen, indem die Stadtverwaltung immer wieder schlecht geredet werde. „Hannover ist die meist unterschätzte Stadt Deutschlands“, bilanzierte Grünen-Fraktionschefin Elisabeth Clausen-Muradian. Und dabei könne es gern auch bleiben. Man dürfe die Umfrage nicht so ernst nehmen, müsse die Ergebnisse locker betrachten und den bisher eingeschlagenen Weg weitergehen. Die SPD, vertreten durch Fraktionschef Lars Kelich, stimmte dieser Haltung zu und verwies auf die Auszeichnungen, die Hannover in den vergangenen Jahren erhalten hat, wie etwa „Unesco City of Music“ oder „Hauptstadt der Biodiversität“.
Alexander Rüter, Geschäftsführer Central-Hotel Kaiserhof
Hannover ist eine der schönsten Städte Deutschlands und befindet sich hinter den großen A-Städten, wie etwa Berlin und München, gleich in der ersten Reihe.
Aber Hannover hat noch viel Potenzial, daraus wurde bisher zu wenig gemacht. Die Chance, die Wettbewerbsfähigkeit von Hannover zu verbessern, bietet sich jetzt nach der Corona-Pandemie ganz besonders. Mit unserer Arbeit in der DeHoGa Hannover unterstützen wir die Stadt und Region dabei, nachhaltige Strukturen für die Standortentwicklung in Hannover aufzubauen.
Regionspräsident will Attraktivität für Wirtschaft erhöhen
Steffen Krach, Hannovers Regionspräsident, ist anderer Meinung als seine Parteikollegen. „Mich ärgert ungemein, dass Hannover nur auf dem vorletzten Platz gelandet ist. Wir können uns damit nicht zufriedengeben!“, sagte Krach in einem Interview mit einer Lokalzeitung. Denn auch der Regionspräsident sieht die Problematiken, die aus einem negativen Image erwachsen. Wenn Stadt und Region weiterhin ein starker Wirtschaftsstandort bleiben wollen, dann müsse das Image Hannovers dringend aufpoliert werden. Denn je schlechter das Image, desto weniger Firmen ließen sich in der Region nieder. Dadurch könnten Hannover enorme Einnahmen, etwa in Form von Gewerbesteuern, entgehen. Und es könnten sogar Einnahmen wegbrechen, wenn Unternehmen wegzögen. Zum Beispiel, weil sie nicht mehr genug Fachkräfte bekommen könnten, die bereits in Hannover lebten oder bereit seien, ihren Wohnsitz hierher zu verlagern.
Doch wie kann Hannover etwas gegen sein Negativ-Image tun? Zunächst einmal müsse aus Krachs Sicht die Hannover Marketing und Tourismus GmbH (HMTG) finanziell besser ausgestattet werden, um eine höhere Schlagkraft zu entwickeln. Braunschweig etwa wende einen deutlich größeren Anteil seines Haushalts für das Stadtmarketing auf.
Außerdem müsse um Unternehmen gezielt geworben werden. „Hannover ist ein toller Messestandort“, sagte Krach in dem Interview. Aber Kongresse, vor allem Wirtschaftskongresse, fristeten in der Stadt eher ein Nischendasein. Schon vor Jahren habe man die Einrichtung eines Kongressbüros beschlossen, das müsse nun endlich seine Arbeit aufnehmen. Hier sei noch viel Potenzial, das es auszuschöpfen gelte.
[Isabel Christian]
Jörgen Hemme, Geschäftsführer Hemme Milch GmbH & Co. Vertriebs KG
Hannover ist eine schöne Stadt, nett, gut. Aber halt nicht viel mehr. Es fehlt ein Superlativ, ein Spitzenplatz in irgendwas.
Der Krieg hat Hannover massiv zerstört. Der Wiederaufbau in den 50er Jahren war von wenig architektonischer Liebe gekennzeichnet. Das prägt das Stadtbild bis heute. Die Herrenhäuser Gärten sind wunderschön. Als alleiniges Ziel aber oft nicht hinreichend. Unsere Nanas neigen dazu – wenn ich das so sagen darf – zu polarisieren und sprechen damit zu wenig Interessierte an. Politisch heißt der Landkreis Hannover ja Region. Das gibt es nur bei uns und ist damit für Außenstehende gewöhnungsbedürftig. Gewerblich und industriell fehlt uns ein echter Weltkonzern. VW ist Wolfsburg und Continental gehört zu einem Konzern in Franken. Auch Tui ist als ehemals Preussag kein echter Image-Gewinn. Meines Erachtens bedarf es eines zukunftsweisenden Gesamtkonzepts von Infrastruktur, Kultur und Handel. Denken Sie an die Leerstände in der Innenstadt. Bauvorschriften müssen entsprechend der Ziele schneller angepasst werden.
Für richtige Highlights, wie Dachwege im Grünen (siehe Konzept Kaufhof), oder die Leinewelle (vielleicht kommt sie ja doch) fehlt es oft an Umsetzungsbereitschaft. Den Charakter einer Stadt macht die Summe der skizzierten Punkte aus. Richtig macht Hannover die Imagekampagne und die Einbeziehung der gesamten Region, das ist großartig! Es gibt zudem viele kleine Details, die gut sind und in ein Gesamtkonzept gehören. Wie unser Stadion, Spitzensport-Stützpunkte, die Eilenriede als grüne Lunge der Stadt mit Aussichtsturm oder auch die Architektur des Hauptbahnhofs (ohne „Aschenbecher“ vor der Tür). Zu guter Letzt ist Hannover bekannt für Gesundheit durch die MHH und das „Gehirn“, das International Neuroscience Institute (INI).