Hannover hat ein Imageproblem, das belegen aktuelle Zahlen einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach. Nur jeder Zehnte kann sich einen Besuch in der Stadt an der Leine vorstellen. Ein wichtiger Tourismusfaktor sind Museen. Ein attraktives Museum zur Geschichte gehört zum Grundinventar einer Stadt.
Doch genau hieran scheint es in Hannover zu hapern.
Manch ein Tourist, der eine neue Stadt besucht, kommt auch wegen der Museen, insbesondere wegen jener, die sich mit der eigenen Stadtgeschichte beschäftigen. In Hannover wird ein Gast mit diesem Ansinnen allerdings herb enttäuscht. Denn die Dauerausstellung des Historischen Museums der Landeshauptstadt ist seit viereinhalb Jahren geschlossen.
Besucher können sich zwar im Erdgeschoss des Beton-Baus im hannoverschen Altstadt-Viertel umsehen. Eine Tour durch die dort präsentierten Exponate ist allerdings ziemlich schnell wieder vorbei. Dirk Altwig, der Vorsitzende des Vereins der Freunde des Historischen Museums, kritisiert diesen Zustand scharf. „Hannover hat in den letzten Jahren Millionen für die Sanierung der Innenstadt investiert, zum Beispiel am Hohen Ufer für eine tolle Promenade. Aber am Ende dieser hervorragenden Promenade ist seit Jahren ein so gut wie geschlossenes Museum. Das ist ein Trauerspiel.“
Traurig findet Altwig das allerdings nicht nur für Touristen, sondern insbesondere auch für die Bürger der Landeshauptstadt selbst. Viereinhalb Jahre bedeuteten immerhin, dass eine ganze Generation von hannoverschen Grundschülern sich die Dauerausstellung zur eigenen Stadtgeschichte nicht hat ansehen können. „Dieses Museum ist eigentlich das Schatzkästchen aller Hannoveraner“, sagt Altwig im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick.
Dieser Ort könnte seiner Ansicht nach viel für das Wir-Gefühl Hannovers tun. „Hier findet jeder was zu seiner Geschichte, sei es als Frau, als Mann, sei es mit Migrationshintergrund oder ohne Migrationshintergrund. Das ist ein Museum für alle, und die Stadtverwaltung vergibt hier eine Riesenchance, etwas für den Zusammenhalt der Stadt zu tun.“ Diese vertane Chance nach innen, ist sich Altwig sicher, färbt aber natürlich auch auf die Außenwirkung ab: „Wie will denn eine Stadt nach außen strahlen, die nicht mal ihre eigene Geschichte wichtig findet?“
Für den fast 400 Mitglieder zählenden Freundeskreis-Verein hat die Teil-Schließung derweil noch andere, ganz praktische Auswirkungen. Vor bald zwei Jahren mussten die ehrenamtlichen Helfer nämlich das von ihnen betriebene Museums-Café und auch den Museums-Shop schließen. Begründet wurde dies mit dem baldigen Beginn der Bauarbeiten, die eigentlich 2019 schon längst wieder abgeschlossen sein sollten, dann wegen Schadstoffbelastung verschoben und zwischenzeitig für den Herbst 2021 angedacht waren, aber noch immer auf sich warten lassen. Im Verein sorgt das für Demotivation, die Zahl der Mitglieder sinkt. So macht man Ehrenamt kaputt, heißt es. Der Vorstand versucht sich derweil im Spiel zu halten, kürzlich haben sie aus einer fixen Idee heraus einen Online-Shop für das Historische Museum eingerichtet.
Doch woran scheitert es nun, warum geht die Sanierung nicht voran? Am mangelnden Geld oder dem politischen Willen scheint es nicht zu liegen: „Wir haben für das Museum großartige Unterstützung von der Stadtpolitik, wir haben großartige Unterstützung von der Bundespolitik, die viel Geld bereitgestellt hat. Wer nicht liefert, ist die Stadtverwaltung“, erklärte Altwig und fügte an, dass durch den unverhofften Geldregen aus Berlin die bisherige Planung noch einmal aufgeschoben und nachgebessert werden musste. Dass man allerdings nicht so flexibel ist und wenigstens die Beseitigung von Schadstoffen im Mauerwerk vorzieht, die immerhin schon seit 2019 bekannt ist, kann er nicht nachvollziehen.
Besonders bedauerlich findet der Vorsitzende des Freundeskreises die fehlende Perspektive. Noch im September 2020 hatte die Stadtspitze das Ziel ausgegeben, zum Kulturhauptstadtjahr 2025 mit der Sanierung des Erdgeschosses fertig sein zu wollen. Nun gab es die Idee, diesen Ort dann als Kinderzentrum für den Evangelischen Kirchentag im selben Jahr zu nutzen. Doch Stadtsprecher Dennis Dix erklärte kurz darauf auf Anfrage der Museumsfreunde, dass „aufgrund der neuen Rahmenbedingungen“ ein Baubeginn im vierten Quartal 2022 „nicht mehr sicher bestätigt werden kann.“
Altwig zeigt sich gegenüber dem Politikjournal Rundblick irritiert angesichts dieser neuen Einschätzung, waren die Weichen doch eigentlich längst gestellt. Ist Hannovers Stadtspitze also geschichtsvergessen oder hat mehr Interesse an Soziokultur als an Historie? „Dieser Zustand des Museums zeugt jedenfalls von mangelndem Selbstbewusstsein“, meint Altwig. „Wir haben den Eindruck, dass es der Stadtspitze mehr oder weniger egal ist.“
[NIKLAS KLEINWÄCHTER]
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